Birte Dalbauer- Stokkebæk im Gespräch über Achtsamkeit & Stressbewältigung
Bei der Meditation schauen wir in uns hinein, bündeln unsere Aufmerksamkeit und Konzentration auf eine Sache und finden mit der Zeit so zu mehr Ruhe und Entspannung. Innere Ruhe und Ausgeglichenheit die uns dabei hilft, stressigen Situationen im Alltag gelassener zu begegnen. Aber wie genau meditiert man? Und was hat Achtsamkeit mit Meditation zu tun?
Diese und weitere spannende Fragen hat uns die gebürtige Dänin Birte Dalbauer- Stokkebæk im folgenden Interview beantwortet. Frau Birte Dalbauer- Stokkebæk ist freiberufliche Sängerin und MBSR-Trainerin und beschäftigt sich schon seit einiger Zeit sehr intensiv mit dem Thema Achtsamkeit, Meditation und Stressreduktion. Uns hat sie im folgenden Interview erklärt worum es bei dem MBSR Training eigentlich geht, wie einem die Achtsamkeitspraxis im Alltag helfen kann und welche Meditationsübungen ideal für den Einstieg sind. Zum Schluss gibt es viele wertvolle Buchempfehlungen zu dem Thema.
Redaktion: Worum geht es bei dem MBSR Training?
Frau Dalbauer-Stokkebæk: MBSR „Mindulness Based Stress Reduction“, also übersetzt Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion, ist ein Stressreduktionsprogramm, das von dem Molekularbiologen Prof. Jon Kabat-Zinn entwickelt wurde. Es wendet sich an Menschen, die unter leichteren Stresssymptomen bis hin zu Burn-Out leiden. Der Kurs kombiniert bewährte Achtsamkeitsmeditationsformen aus dem Buddhismus und verbindet diese mit modernen psychologischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. MBSR hat nichts mit Religion zu tun.
Um das Optimum aus dem Kurs zu holen, wird tägliches Training empfohlen, wobei die Übungen 40-60 Min. im Anspruch nehmen. Der Kurs baut auf praktischen Übungen wie Bodyscan, Sitzmeditation und Körperübungen auf, und wird durch kurze Vorträge der MBSR Trainerin und einen regen Austausch über Erlebnisse und Erfahrungen von der Gruppe ergänzt.
Redaktion: Wie sind sie dazu gekommen, Kurse zum Thema Stressreduktion anzubieten?
Frau Dalbauer-Stokkebæk: In Dänemark, wo ich herkomme, ist MBSR seit vielen Jahren sehr bekannt. Es hat mich immer sehr interessiert, weil ich als MusikerIn auch Stress kenne. Noch dazu gehöre ich zu den ungefähr 15 % von Menschen, die ein hochsensitives/sensibles Nervensystem als Wesenszug haben. Hochsensible Menschen HSP (Highly sensitive Persons) laufen natürlich in Gefahr überreizt, erschöpft und gestresst zu werden. Ich habe gemerkt, wie gut der MBSR Kurs für mich als Teilnehmerin war, und das hat mich motiviert die Ausbildung zu machen.
Die MBSR Ausbildung ist relativ neu in Österreich und wird angeboten von Deutschland aus. Ich habe mit großer Freude die Ausbildung 2014-16 gemacht und bin sehr glücklich und dankbar dafür. Auf der persönlichen Ebene hat es mit sehr viel gebracht, und ich erlebe, wie der Kurs meine KursteilnehmerInnen unterstützt und weiterhilft in ihrem Leben.
Redaktion: Wie genau kann einem die Achtsamkeitspraxis bei Stress im Alltag helfen?
Frau Dalbauer-Stokkebæk: Erstens ist es ganz essenziell zu verstehen, was gemeint ist mit Achtsamkeit. Achtsam sein bedeutet, den gegenwärtigen Moment bewusst, offen, und freundlich wahrzunehmen, ohne das Erlebte zu bewerten und zu beurteilen. Diese innerer Haltung erlaubt eine intensive Wahrnehmung und schafft einen höheren Grad an Offenheit und Akzeptanz gengenüber der Wirklichkeit des Augenblicks.
Viele von uns leben jedoch eher umgekehrt, also statt bewusst unbewusst, statt freundlich und liebevoll zu beobachten, werden wir von einem inneren Kritiker geschimpft, und statt gegenwärtig zu sein, halten wir uns in der Vergangenheit oder in der Zukunft auf. Die meiste Zeit ist es uns alles nicht bewusst, es läuft im Autopilot Modus ab, wie wir sagen.
Wenn wir anfangen Achtsamkeit zu praktizieren, fangen wir an, alle diese unbewussten Muster zu erkennen. Wir fangen an zu entdecken, was in uns alles los ist. Dieses Wissen gibt uns die Möglichkeit anders mit Stressoren umzugehen, es gibt uns die Möglichkeit auf uns selbst besser und liebvoller aufzupassen, es gibt uns die Möglichkeit neue Wege zu suchen, falls es notwendig ist.
Redaktion: Was hat das MBSR Achtsamkeitstraining mit Meditation zu tun?
Frau Dalbauer-Stokkebæk: Bei MBSR verwenden wir die Meditation um Achtsamkeit zu kultivieren, aber gleichzeitig kann man auch sagen, das Achtsamkeit Meditation ist. In der Meditation wenden wir uns zu, wir schauen in uns hinein, mit einer wohlwollenden und freundlichen inneren Haltung. Diese innere nicht-urteilende Haltung ist sehr wichtig, da wir dabei manchmal auch etwas entdecken, was uns nicht gefällt. Und obwohl es vielleicht einfach klingen mag präsent zu sein, also im Hier und Jetzt zu sein und achtsam zu sein, ist es gar nicht so leicht.
Wie Jon Kabat-Zinn sagt „it is very simple, but it is not easy“.
Redaktion: Ist es schwierig zu meditieren?
Frau Dalbauer-Stokkebæk: Es ist nicht schwierig zu meditieren, es ist eine angeborene Fähigkeit. Das Schwierige besteht vielleicht darin, sich von einigen Mythen zu trennen, an die man möglicherweise glaubt. Hier denke ich an Mythen wie, man darf keinen Gedanken haben, man muss richtig atmen oder dass es entspannend sein soll. Meditation ist Übung, und wir üben ALLES was da ist, also auch Verspannungen und innere Unruhe wahrzunehmen. Und zwar in einer freundlichen nicht-urteilenden Haltung.
Wenn wir meditieren, üben wir, uns bewusst auf ein Meditationsobjekt zu konzentrieren und all unsere Aufmerksamkeit auf eine Sache zu richten. Das kann zum Beispiel unsere Atmung sein oder aber auch ein Geräusch, ein Duft oder eine Emotion. Bevor man mit dem Meditieren beginnt, sollte man sich unbedingt einen ruhigen Ort suchen, in eine beliebige Sitzhaltung gehen und sich einen Timer am Handy stellen. (am Anfang reichen 5-10 Minuten)
Meditationsübungen für den Einstieg: Atemmediation und Body-Scan
Redaktion: Welche Meditationsübungen können sie für den Einstieg empfehlen?
Frau Dalbauer-Stokkebæk:
Ideal für den Einstieg ist die Atemmediation, bei der wir nur unseren Atem beobachten und uns auf das Einatmen, Ausatmen und auch auf die Pausen dazwischen konzentrieren. Vielleicht spürt man auch die Spannung im Körper oder den Impuls die Atmung kontrollieren zu wollen. Wenn dann Gedanken kommen, und die werden immer wieder kommen, üben wir, sie loszulassen, um wieder die Aufmerksamkeit auf die Atmung zu richten. In dem Moment, wo wir merken, dass wir wieder in einem Gedankenstrom gelandet sind, sind wir achtsam – sind wir wach.
Des Weiteren ist die Meditationsübung Body-scan aus dem MBSR Kurs eine sehr gute Einstiegsmeditation. Hier üben wir unseren Körper achtsam wahrzunehmen, indem wir ihn gedanklich abtasten also scannen. Der Body-scan ist also so etwas wie eine Reise durch unseren eigenen Körper, bei der unsere Aufmerksamkeit auf verschiedene Bereiche des Körpers gerichtet wird. Im Internet gibt es unzählige geführte Body-Scan Meditation, sowohl als Text als auch in Form von Audios und Videos.
Außerdem: Wenn wir mit Achtsamkeit putzen oder kochen, können wir das auch ein Putzmeditation nennen. :-)
Redaktion: Welche Bücher können sie zum Thema Achtsamkeit und Meditation empfehlen?
Frau Dalbauer-Stokkebæk: Es gibt sehr viel wunderbare Literatur auf diesem Gebiet, wie z.B.:
- Jon Kabat-Zinn ”Gesund durch Meditation” Fischer Verlag 2009
- Jon Kabat-Zinn „Im Alltag Ruhe finden“ Knaur Verlag 2015
- Jon Kabat-Zinn „Achtsamkeit für Anfänger“ Arbor Verlag 2013
- Mark Williams & Danny Penman Meditation im Alltag“ Arkana Verlag 2011
- Kristin Neff „Selbstmitgefühl“ Kailash Verlag 2012
- Dirk Grosser „Der Buddha auf vier Pfoten“ Kailash Verlag 2015
- Petra Meibert “Der Weg aus dem Grübelkarusell“ Kösel Verlag 2014
- Das Verlag Scorpio hat eine Reihe feiner kleiner Pocketformatbücher, „Achtsam Leben“ herausgegeben. Außerdem kann ich das Magazin für Achtsamkeit „Moment by Moment“ sehr empfehlen.
Willst du mehr über Birte Dalbauer-Stokkebæk und ihre Kurse erfahren, so bist du hier richtig: http://www.birte-dalbauer-stokkebaek.at/index.htm.
Danke für das spannende und informative Interview!