Barfuß Coach Matthias Zuckerhut

„Beim Barfußlaufen trainiert man Achtsamkeit auf die Umwelt, in und auf der man läuft.“ erklärt Matthias Zuckerhut.
Nicht nur die positive Auswirkung  auf unsere Fußmuskulatur und Gelenke bringt es mit sich. Wir nehmen dadurch auch eine ausbalancierte Lockerheit in den Alltag mit.
Wie die richtige Technik und die (un)bewusste Wahrnehmung des Bodens unter uns erlernt wird? Diese und weitere Fragen haben wir dem Barfuß Coach gestellt.

Redaktion: Wie sind Sie zu ihrem Beruf als Barfuß Coach (unter anderem) gekommen?
Matthias Zuckerhut: Schon seit meiner Jugend ist es eines meiner großen Interessen, den Körper in seinem Zusammenspiel zu verstehen.

Deswegen bin ich unter anderem Therapeut geworden. Als dieser Therapeut frage ich mich, welche Auswirkungen und welche Ursachen eine Symptomatik mit sich bringt. Woher kommt es und wohin entwickelt es sich? So ist es für mich doch recht spannend zu beobachten, dass zum Beispiel ein Schmerz in der Schulter durch ein zu schwaches Fußgewölbe verursacht werden kann und die Arbeit daran zu einer Besserung führt.

Im Zuge dieser Vorgehensweise sprach mich eines Tages ein Klient an, der ein Freund des CEOs von Vivobarefoot Österreich war. Er brachte uns zusammen. Mit Vivobarefoot lernte ich dann auch Lee Saxby in London kennen und den von ihm erforschten und gelehrten Stil der Natürlichen Barfußlauftechnik.

Die Zusammenhänge von natürlicher Fortbewegung und ihrer Auswirkung auf den gesamten Körper überzeugten mich davon, dass diese ein wichtiges „Puzzle-Teil“ waren auf meinem Weg, den Körper und Menschen besser zu verstehen und mit ihm umzugehen.

Matthias Zuckerhut - Laufband Praxis

Laufband Praxis © Matthias Zuckerhut

Redaktion: Warum ist es wichtig, dass man das Barfußlaufen lernt? Was ist das Besondere/Schwierige daran?
Matthias Zuckerhut: Beim Barfußlaufen, wie ich es lehre, geht es um eine Wiederverbindung des Körpers an seine Umwelt. Dabei geht es um die bewusste und vor allem unbewusste Wahrnehmung des Bodens.

Je besser der Boden in seiner Festigkeit und seiner Beschaffenheit im Körper wahrgenommen werden kann, desto besser kann sich der Körper auch daran anpassen. Wenn der Körper beim Laufen auf den Boden „aufprallt“ wirkt eine physikalische Kraft auf den Boden. UND ebenfalls wirkt eine Kraft auf den Körper. Je härter der Körper auf den Boden trifft, desto weicher muss er sein, damit es nicht zu Verletzungen, Abnutzungen oder chronischen Schmerzen kommt.

Wenn ein Kind barfuß laufen lernt, hat es sich diese Automatismen zum Teil schon angewöhnt. Je älter wir aber werden, desto mehr haben wir leider diese unbewussten Automatismen der Wahrnehmung und Anpassung verlernt, seitdem wir gepolsterte Schuhe tragen, sehr viel sitzen usw. usw. und sich unsere Haltung dementsprechend verändert hat.

Wenn wir nun einfach die Schuhe ausziehen oder Barfußschuhe anziehen und loslaufen, dann kann der Körper damit nicht so reibungslos umgehen, weil er es ja nicht gelernt oder verlernt hat. Er ist gewöhnt, dass der Fuß es immer weich und bequem hat. So kann es passieren, dass es zu schmerzhaften Verspannungen und Sehnen-Irritationen kommt, da wir zu sehr bestimmte Muskelgruppen benutzen, um uns nicht zu sehr am Boden zu stoßen. Oder aus mangelnder Lockerheit nutzen Gelenke wie z.B. Knie oder Hüfte schneller ab, weil der Stoß in sie hinein wirkt.

Es macht auf jeden Fall Sinn, die richtige Technik zu lernen. Denn mit ihr erleben wir eine muskuläre Interaktion des gesamten Körpers in einer dafür vorgesehenen und gesunden Haltung. Wir erleben Lockerheit. Und vor allem diese ausbalancierte und von Entspannung und Leichtigkeit geprägte Haltung nehmen wir mit in unseren Alltag.

Redaktion: Welche gesundheitlichen Vorteile bringt es mit sich? Ist es gesünder? Wenn ja, wieso?
Matthias Zuckerhut: Barfußlaufen bringt erst einmal alle Vorteile des konventionellen Laufens mit unterstützten Schuhen mit sich.
Zusätzlich trainieren wir die Fußmuskeln und stabilisieren Gelenke im ganzen Körper. Wir trainieren viel mehr als beim „normalen“ Laufen die neuromuskuläre Koordination des gesamten Bewegungsapparates. Die Körperwahrnehmung steigt und wir lernen, in uns selbst zu ruhen. So geht die Wirkung auch über das rein Körperliche hinaus. Wer sich erfolgreich auf Lockerheit fokussiert, der kann nicht angespannt sein.

Redaktion: Bezieht sich das nur auf das Laufen ohne Schuhe oder auch Gehen?
Matthias Zuckerhut: Laufen ist die intensivere Trainingsform von beiden. Das bedeutet, dass die Effekte auch deutlicher sind. Doch auch beim bloßfüßigen Gehen haben wir diese neuromuskulären Effekte und eine Entwicklung der Tiefenwahrnehmung.

Die Technik des Gehens unterscheidet sich etwas vom Laufen. Doch die Grundlagen der ausbalancierten Haltung gelten hier genauso. So wird auch diese beim Gehen trainiert. Allerdings empfehle ich hier anspruchsvollere Untergründe (mit Steinen, Wurzelwerk etc.), auf denen man an den Füßen gleich spürt, wenn man die ausbalancierte Haltung vernachlässigt. ?

Redaktion: Welcher Boden ist besonders geeignet zum Barfußlaufen und welcher gar nicht?
Matthias Zuckerhut: Eine Grundregel ist: Je härter der Boden, desto weicher muss ich sein. Nur der biegsame Grashalm knickt im Sturm nicht ab.
Beginnen würde ich also auf glattem, hartem Asphalt! Wenn die Grundlagen von Rhythmus und Haltung verstanden sind, würde ich die Untergründe variieren. So steht dem Waldlauf nichts mehr im Weg.
Grundsätzlich sind alle Böden geeignet, sofern man die Grundlagen verstanden hat.

Redaktion: Welche Schuhe sind für den Alltag geeignet?
Matthias Zuckerhut: Es sollten Schuhe sein, die möglichst viel Wahrnehmung des Bodens zulassen. Außerdem sollten sie vor allem im Bereich von Vorfuß und Zehen weit genug sein. Man sollte den Boden so gut wie möglich spüren können! Ohne Wahrnehmung gibt es keine ausreichende Anpassung des Körpers an die wirkenden Kräfte in den Gelenken. Wenn das nicht gegeben ist, dann empfehle ich doch eher Schuhe mit Stabilisierung und Dämpfung im Alltag und lieber ausgedehnte Zeiten zu schaffen, bei denen ein barfüßiges Tun möglich ist.

Redaktion: Empfehlen Sie eine regelmäßige Fußpflegeroutine gegen verstärkte Hornhaut oder ist genau diese Hornhaut wichtig, um den Fuß zu schützen?
Matthias Zuckerhut: Die sich stärker entwickelnde Hornhaut ist unsere natürliche Schuhsohle, unser Schutz. Je stärker sie ist, desto mehr halten wir aus. Es wäre daher für die Barfußlauf-Routine nicht gerade von Vorteil, sie ständig weg zu hobeln.

Redaktion: Wie vermeidet man Verletzungen, ohne ständig auf den Boden sehen zu müssen? (z.B. Glassplitter usw.)
Matthias Zuckerhut: Die Glassplitter sind so eine Sache, da man sie schlecht sieht, wenn sie im Fuß stecken. Da empfehle ich eher, solche Stellen, wo Glas am Boden liegen könnte, großzügig zu umlaufen. Ab einer entsprechenden Ausprägung eben erwähnter Hornhaut können auch Dornen nicht mehr so gut eindringen und lassen sich leicht herausziehen.
Mit einem grundsätzlich offenen und weiten Geist und eben solchen Blick gewöhnt man sich daran, zu schauen, wo man hinsteigt. Doch der größte Teil wird ohnehin durch die grundsätzliche Lockerheit in den Gelenken kompensiert. So machen Wurzeln und Steinchen weitaus weniger aus.

Beim Barfußlaufen trainiert man Achtsamkeit auf die Umwelt, in und auf der man läuft. Das Nervensystem und die Muskulatur stellen sich meditativ dieser Anforderung. Da ist es doch nur treffend, dass man bewusst und achtsam jeden seiner Schritte setzt. ?

Wir bedanken uns für das Interview!

Mehr zu Matthias Zuckerhut und seinem Training findest du unter: https://www.zuckerhut-training.at/

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2020-08-14T14:18:30+01:00