Ayurveda ist das Wissen vom Leben, ist Lebensphilosophie und Lebensweise.
Wir treffen die Obfrau des Ayurveda-Vereins Nexenhof, Dr. Leona Mörth, und erfahren von der Religionswissenschaftlerin, was Ayurveda überhaupt ist. Bei einem gemütlichen Plausch bringt sie uns ihren Zugang zur indischen Gesundheitslehre näher und gibt uns praktische Tipps, wie wir mit wenig Aufwand die indische Gesundheitslehre in unser Leben integrieren können. Sie setzt sich bereits seit mehr als 20 Jahren mit Ayurveda auseinander und bildet regelmäßig Menschen zu Ayurveda-PraktikerInnen aus.
„Das Haus, der Verein, dient der Initiative, dem Gedankenaustausch und als Platz, auf dem Neues entstehen und Altes wieder neu werden darf!“
Leona, bitte erkläre uns, was Ayurveda bedeutet.
Ayurveda ist die alte indische Medizin, die indische Gesundheitslehre. Es geht nicht nur darum, Menschen zu heilen, sondern es dreht sich sehr viel um Prävention, also die Erhaltung der Gesundheit. Wir beschäftigen uns mit der Frage „Wie kann ich meinen Lebensstil so gestalten, dass ich gesund bleibe?“
Dafür gibt es im Ayurveda drei Säulen, die für die Gesundheit wesentlich sind – Ernährung, Schlaf und Sexualität. Dabei handelt es sich im Prinzip um die Grundbedürfnisse des Menschen. Bei der Ernährung gilt: Du bist, was du isst. Das ist im Ayurveda ein ganz wesentlicher Grundsatz, es geht nicht nur darum, was du isst, sondern auch, wie du isst. Isst du in Ruhe? Hast du Pausen zwischen den Mahlzeiten? Isst du die richtige Menge? Wie ist die Nahrung zubereitet? Isst du regelmäßig? Das ist nicht immer ganz einfach, es ist oft schwieriger, als man denkt. Das fängt oft schon bei der richtigen Menge an. Wir alle neigen dazu, zu viel zu essen. Eigentlich sollte man nur so viel essen, bis man aufstößt.
Beim Schlaf kommt es darauf an, wie alt die Person ist. Je nach Alter braucht der Mensch unterschiedlich viel Schlaf. Je nach Konstitution brauchen wir zwischen sechs und acht Stunden. Die einen brauchen mehr, die anderen weniger. Du solltest aber nicht nach dem Essen schlafen. Zwischen einer Mahlzeit und dem Schlaf sollten mindestens zwei Stunden liegen, weil der Körper während des Schlafes das Verdauungssystem runterfährt.
„Die ayurvedische Definition von Gesundheit ist die Balance der Doshas, der Verdauungsfeuer, der Gewebe und der Ausscheidungsprodukte. Diese Dinge müssen in Balance sein und richtig funktionieren. Der Mensch, seine Seele, soll zufrieden und glücklich sein.“
Wir haben Ernährung und Schlaf nun schon betrachtet, was gibt es zur Sexualität zu sagen?
Dass es sinnvoll ist, sich an gewisse Regeln zu halten. Wie oft man Sex haben sollte, ist beispielsweise alters- und jahreszeitenabhängig. Im Sommer ist es für den Körper am anstrengendsten. Große Hitze kostet den Körper sehr viel Kraft, deswegen sollte man im Sommer nur alle zehn bis vierzehn Tage Sex haben.
Generell sollten Frauen während der Menstruation nichts Anstrengendes machen. Genauso wichtig ist aber auch das Einhalten einer bestimmten Diät. Zucker, Rohes, Käse oder fermentierte Sachen gehören während der Tage nicht auf den Speiseplan, weil sie den Körper schwer machen und während der Menstruation sollte man versuchen, leicht zu bleiben.
Was unterscheidet den Nexenhof von anderen Hotels, die Ayurveda-Wellness-Kuren anbieten?
Wir sind definitiv kein Schicki-Micki-Lifestyle-Resort. Für uns bedeutet Ayurveda nicht Lifestyle, wir sehen eine Gesundheitslehre darin. Es braucht auch keinen großen Luxus für Ayurveda, es kann auch ungemütlich werden, denn ayurvedische Reinigungs-Therapien sind mit Sicherheit nicht schick. Ganz und gar nicht. Es geht auch sehr viel um Selbstverantwortung, also dein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Was passiert bei einer ayurvedischen Reinigung?
Wir beginnen mit einem Abführ-Tag mit einer bestimmten Vorbereitung oder einfach nur mit einem Entlastungs-Tag in Kombination mit einer sehr reduzierten Diät. Das Wesentliche an der Reinigung ist, dass der Körper vorher mit Ghee und Öl geschmiert wird. Ghee hat eine stark reinigende Wirkung, nimmt Giftstoffe gut auf und regt das Verdauungs-Feuer an, gleichzeitig wirkt es aber auch kühlend. Ghee wirkt auf den gesamten Körper balancierend, dazu kommt auch noch, dass der Großteil der eingelagerten Abbauprodukte oder Schlackstoffe in Öl löslich ist.
Wie kann man Ayurveda in den Alltag integrieren? Geht das überhaupt?
Ein paar ayurvedische Anwendungen kannst du Zuhause ganz einfach machen. Nach dem Aufstehen könntest du deinen Mund durch zehn Minuten Öl ziehen reinigen. Über Nacht entstehen viele Abbauprodukte im Mund, was deutlich am morgendlichen Mundgeruch erkennbar ist. Diese Abbauprodukte werden durch das Öl gelöst und gleichzeitig wird das Zahnfleisch gefestigt.
Sollte ein Löffel Öl am Anfang zu viel sein, kann man das Öl auch mit etwas Wasser verdünnen. Bei der Wahl des Öles empfehle ich immer eines, das dir gut schmeckt und du leicht im Mund haben kannst. Sesamöl ist aufgrund des intensiven Geschmacks für viele Menschen schwierig, Oliven- und Kokosöl geht für viele zum Beispiel aber sehr gut.
In der Früh oder auch tagsüber zwischendurch immer wieder innehalten, atmen, den Atem und das Herz spüren, ruhig werden. Wir befinden uns in einem schnelllebigen Umfeld, deswegen ist ausreichend Entspannung wirklich wichtig.
Ein warmes Frühstück ist auf jeden Fall gesund. Was genau, das probierst du einfach aus. Warmes Müsli, Getreideflocken mit Obst, iss einfach, was dir am besten schmeckt und was du verträgst.
Ich habe noch einen Tipp für den Abend:
Stell dir ein Fläschchen mit Sesamöl zum Bett. Am Abend gibst du einen Tropfen Öl auf den Finger und gibst es in die Ohr- und Nasenlöcher. Das Öl gleicht das Vata aus, was sehr leicht aus der Balance gerät und immer stark in Bewegung ist. Wir sind ja permanent in Bewegung. In den alten Schriften steht zum Beispiel schon geschrieben, dass man sich nach einer Reise auf einem Kamel oder Pferd dringend mit einer Öl-Massage behandeln lassen muss. Weil der Körper auf der Reise einer „enormen Geschwindigkeit“ ausgesetzt war.
Was genau bewirkt das Öl?
Vata hat die Eigenschaften trocken, leicht und beweglich. Es ist rau und das Öl ist genau das Gegenteil. Es ist schwer und zähflüssig, weich und glatt und macht genau das Gegenteil vom Vata. Eine Öl-Massage ist sehr beruhigend und gilt als das beste Mittel gegen Unruhe. Man kann den ganzen Körper einölen oder nur die Beine oder Füße. Man kann alle Hohlräume ölen, also Nase, Ohren, auch den Anus.
Das bringt uns zur nächsten Frage. Bitte erkläre uns, was die Doshas sind und wie die Einteilung in Vata-, Pitta- oder Kapha-Typ erfolgt.
Die Doshas sind Wirkprinzipien und stehen für die individuelle Lebensenergie und stellen die Grundlage des Ayurveda dar. Man kann sagen, es sind Synonyme für die Beschreibung der Physiologie des Körpers. Jedes Dosha hat bestimmte Aufgaben im Körper. Im besten Fall sind die Doshas in Balance. Ist das nicht der Fall, können sich typische Beschwerden bemerkbar machen, denn jedes Dosha hat bestimmte Plätze im Körper, wo es besonders zuhause ist.
Es sind drei Wirkprinzipien – Vata, Pitta und Kapha. Jedes dieser Prinzipien ist für bestimmte Aufgaben im Körper verantwortlich und läuft ständig Gefahr, aus der Balance zu geraten. Jedes Dosha zeigt sich über bestimmte Eigenschaften. Was ich sehr spannend finde, ist, wann die Konstitutionsbildung eines Menschen stattfindet. Nämlich in dem Moment, in dem sich Ei- und Samenzelle vereinen, wird festgelegt, welches Dosha bei dem Menschen dann im Leben am stärksten ausgeprägt sein wird. Das hängt nicht nur von der Genetik der Eltern ab, sondern auch vom Zustand der Eltern im Moment der Zeugung. Ist die Mutter ausgeruht? Oder ist sie eigentlich gerade krank und geschwächt? Oder ist sie gut drauf? Sind die zwei in Liebe miteinander vereint oder haben sie gerade vorher Streit gehabt?
Dem Moment der Zeugung ist im Ayurveda von äußerst großer Bedeutung. Deswegen ist es auch so wichtig, dass man sich gut darauf vorbereitet. Aus ayurvedischer Sicht sollte ein Kind nicht einfach passieren, sondern man sollte sich gut darauf vorbereiten und sich dem Akt ganz bewusst hingeben.
Das klingt ganz danach, als ob man für Ayurveda sehr viel Zeit braucht.
Mit Achtsamkeit gelingt es eigentlich ganz leicht. Wir sind ja permanent ganz vielen Einflüssen und Reizen ausgesetzt. Die Frage ist, wie gehe ich mit diesen Einflüssen und Reizen um? Schau ich wirklich darauf, was jetzt gerade wichtig für mich ist, nicht was gestern war oder was morgen sein wird?
Ist Achtsamkeit als eine Art Gegenwarts-Bewusstsein die Essenz im Ayurveda?
Ayurveda bedeutet übersetzt das Wissen vom Leben. Wir sagen, wir wollen die Wissenden unseres eigenen Lebens sein. Dazu braucht es auch absolute Ehrlichkeit mit sich selbst. Wir sind alle sehr stark von Dogmen geprägt. Zum Beispiel: Joghurt ist gesund bzw. Joghurt ist ungesund. Je nachdem, welchen Glaubenssatz ich habe, so mache ich es dann auch und dann kann es mir wahnsinnig schwerfallen, dies loszulassen. Die Frage sollte aber immer lauten: Was brauche ich wirklich und wie viel mache ich mir vor?
Was sind die Merkmale von Gesundheit?
Ein Zeichen ist das regelmäßige Ausscheiden von Stuhl. Manche Konstitutionen scheiden zum Beispiel nur jeden zweiten Tag aus. Der Stuhl sollte gut geformt sein, man sollte eigentlich kein Klopapier dafür brauchen. In dem Moment, wo man Klopapier zum Wischen braucht, kann man davon ausgehen, dass man ein bisschen aus der Balance gekommen ist.
„Im Ayurveda sagt man, du kannst alles essen, solange du es verdauen kannst. Ayurveda ist allerdings nicht vegetarisch und vegan schon gar nicht.“
Hunger und Appetit zu den Mahlzeiten in normalem Rahmen sind auch ein Zeichen von Gesundheit. Wenn Appetit und Hunger außerhalb der Essenszeiten ungewöhnlich groß oder klein sind, kann das ein Zeichen für eine Unausgeglichenheit im Körper sein.
Zum Gesundsein gehört auch, dass du in der Früh ausgeschlafen bist und du zufrieden bist. Das sind eigentlich die wesentlichen Merkmale von Gesundsein. Deswegen wird schnell klar, dass Schlaf, Ernährung und Sexualität die Basis unserer Lebensenergie sind. Das gesunde Maß gilt für alles!
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